Telefoncoaching aus Klienten- und Beraterperspektive

Claudia Bredt spricht im Gespräch mit Dr. Andreas Knierim über ihre Erfahrungen mit Telefoncoaching aus Klienten- und Beraterperspektive. Das Medium Telefon nutzt Bredt seit einigen Jahren als ein Format für Supervision und Coaching. Dabei kombiniert sie Face-to-Face-Sitzungen und telefonische Beratung. Gleichzeitig hat sie als Klientin gute Erfahrungen mit einem reinen Telefoncoaching gemacht.

Knierim: Fangen wir mit der Historie aus der Klientin-Rolle heraus an: Wie kam es dazu, dass du dich über Telefon, bzw. Skype coachen lassen wolltest?
Bredt: Ich war auf der Suche nach einem Berater, der nicht aus meinem Beraterkontext kommen sollte. So habe ich eine Kollegin in Österreich kontaktiert, und sie hat mir Gino Gross, einen Berater, Therapeuten und Rabbiner in Israel empfohlen.

Ein neuer Weg der Kommunikation mit einem klassischen Empfehlungsmarketing
Knierim: Was war denn das ausschlaggebende Moment, dass du sagen konntest, er ist der Richtige für dich?
Bredt: In der ersten Skype Begegnung habe ich den Vertrauensvorschuss durch die Empfehlung intuitiv getestet: Die Stimme, Intonation, Pausen und die Frage, wie wirkt das auf mich, was ich im Hier und Jetzt erlebe? Gino Gross bot mir durch die Art, wie er arbeitet, eine hilfreiche Struktur, die es mir ermöglichte, mit meinen Fähigkeiten in Kontakt zu kommen.

Das Wissen: „Der Coach ist mit seiner Aufmerksamkeit bei mir, auch wenn ich ihn nicht sehe“
Knierim: Wie war das Setting gestaltet?
Bredt: Wir haben die Zielsetzung des Coachingprozesses im Kontraktgespräch fokussiert. Ich wollte eine vertiefte Reflexion, wofür wir acht Termine mit je 60 min in ca. vierwöchigem Abstand vereinbarten. Nach den ersten Sitzungen habe ich festgestellt, dass ich die Skype-Videofunktion für meine Beziehung als Klientin zum Berater nicht wirklich benötige. Ich erlebte es sogar als hinderlich, da die visuellen Eindrücke das Hören minderte. Über den Bildschirm siehst du nicht wirklich real, und so brauchst du besondere Energie, um das Visuelle zu verarbeiten. Das distanziert dich von deinem Gegenüber. Für mich ist die Videofunktion im Grunde überflüssig. Was noch hinzukommt: die Skype-Bildfunktion ist nach wie vor störanfällig. Mir reichte es zu wissen, dass mein Berater da ist, und ihn mittels Headset zu hören.
Knierim: Wie lief die Dokumentation?
Bredt: Teilweise machte Gino Gross Aufzeichnungen und schickte sie mir als E-Mail. Anschließend habe ich die Gespräche schriftlich nachbereitet. „Was klingt nach? Was waren für mich die wichtigsten Momente? Was mache ich in den nächsten Tagen, Wochen daraus?“ In der Beraterin-Rolle lasse ich meine Klienten selber dokumentieren. Ich habe den Eindruck, dass der Klient seine Arbeit so nachhaltiger sichert (was ist mein Ziel: Was soll nach dem Coaching anders sein? ...). Der Klient identifiziert sich damit mehr, als wenn ich ihm ein Gesprächsprotokoll zumaile.

Telefoncoaching ist ebenso professionell und keine Billigvariante zum Face-to-Face-Coaching
Knierim: Wie war das Abrechnungsmodell, und ist Telefoncoaching für den Kunden günstiger?
Bredt: Ganz einfach, ich bekam die Rechnungen per E-Mail und habe das Honorar nach jeder Sitzung per PayPal überwiesen. Ich habe meinen Berater als professionell, aufmerksam und präsent erlebt. Er hat für mich die gleiche Leistung erbracht, die ich auch von einem Face-to-Face-Setting erwartet hätte. Das hat den gleichen Wert und gleichen Preis. Und das Gute daran ist doch, dass ich als Klientin mit der Auswahl meines Beraters nicht ortsgebunden bin.
Knierim: Wie hat der Coach seine persönliche Arbeit rübergebracht?
Bredt: Ja, was habe ich erlebt: eine offene Fragehaltung, eine Impulsgebung, die mir möglich machte, mich im Prozess selber zu beobachten, die Achtung meiner „Pausen“ und die Möglichkeit, in mich hineinzuspüren, das Erfragen auch meiner Körperhaltungen und Empfindungen.
Knierim: Die Klienten, die zu mir in die Praxis kommen, schätzen es ja sehr, dass sie in einem Abstand zu dem Umfeld sind, in dem sie sonst agieren : Ist das bei dir anders gewesen?
Bredt: Ich denke, dass der Abstand zum eigenen Umfeld unterstützend sein kann, jedoch nicht muss. Wesentlich ist doch, in welcher Haltung sich der Klient befindet und wie er in der Lage ist, sich das Setting so zu gestalten, dass er arbeitsfähig ist. Hier kommt der Klient deutlich in die Selbstverantwortung. Für mich als Klientin war z.B. der Platz am Schreibtisch nicht der beste, und ich suchte mir einen für mich neutraleren Ort.
Knierim: Es wird ja von vielen Menschen, die Telefoncoaching machen, berichtet, dass sie nicht so unter „Beobachtung“ stehen und dass bestimmte Themen leichter anzusprechen sind. Wenn man in einem Raum ist, besteht doch eine starke Beziehungsatmosphäre. Inwieweit kannst du das bestätigen?
Bredt: Ich konnte für mich nicht feststellen, dass bestimmte Themen leichter oder schwerer besprechbar waren. Da ich nicht unter „Beobachtung“ stand, konnte ich einfach die Augen schließen und bekam eine andere Form der Innensicht. Es kann auch hier eine starke Beziehungsatmosphäre entstehen, denn am Telefon hörst du intensiver. Das ist eine andere Form von Begegnung. Du hörst den Anderen atmen. Das erzeugt eine besondere Form von Nähe.

Face-to-Face-Coaching wird von vielen Beratern und Klienten überbewertet
Knierim: Was ist für dich das wesentliche Ergebnis?
Bredt: Neben der effizienten Bearbeitung meiner Themen habe ich durch die Selbsterfahrung großes Vertrauen in dieses synchrone Beratungsformat per Telefon gewonnen. Ich habe aufgehört, das Face-to-Face-Coaching überzubewerten. Ich schenke seitdem der Rahmung des Telefoncoachings besondere Beachtung. Der Klient ist ja wirklich mutig, wenn er sich darauf einlässt. Er muss sich trauen und dafür auf der Seite des Coachs Sicherheit und Verlässlichkeit erfahren. Wichtig ist hier die Botschaft, dass ich dem Klienten diese Form der Beratung als effektives Lernfeld zutraue. Doch eigentlich ist das in der Face-to-Face-Beratung nicht anders. Die Frage des Vertrauens hat aus meiner Sicht wenig mit dem Medium zu tun, sondern vielmehr mit einer verlässlichen Struktur, die ich im Telefoncoaching genauso anbieten kann wie in einer Face-to-Face-Situation. Von daher ist es schon erstaunlich, dass im sogenannten Zeitalter der Digitalisierung Telefoncoaching vergleichsweise wenig realisiert wird (vgl. 14. Coachingumfrage von Middendorf 2016: 85 % der Befragten nutzen „Präsenz-Coaching“ als Kommunikationskanal und nur 7% das Telefon und die restlichen 8 % Video Systeme wie Skype, Face time o.ä., E-Mail und online gestützte Systeme). Ich glaube, dass Face-to-Face-Settings bei vielen Supervisoren und Coaches und somit auch bei Klienten einfach immer noch stark überbewertet werden, und dies obwohl sich doch bereits viele Menschen in einem interaktiven Arbeitsalltag bewegen und z. B. Videokonferenzen, App gesteuerte Kommunikationswege nichts Neues mehr ist.

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